Für unverzichtbar halte ich jeweils einen warmen und einen kalten Ton der Grundfarben sowie Weiß.
Das ist natürlich richtig. An sich kann eine sinnvolle kleine Palette aus jeweils 2 Varianten der Grundfarben + Weiss bestehen. Das reicht für die meisten Zwecke und ist eine Auswahl, die noch übersichtlich und somit leicht beherrschbar ist. Hat man zu viele Farben auf der Palette, mischt man sich als Einsteiger sonst schnell zu Tode, weil man dann ohne Systematik "irgendwas nach Gefühl" mischt. Das ist auch der Grund warum Einsteiger oft "Matsch-Farben" zusammenmischen, besonders schlimm wird es wenn man dann auch noch Billig-Farben nimmt, die eben nicht so pigmentrein sind und sich schon deswegen beim Mischen oft seltsam verhalten.
Beherrscht man diese 6 Grundfarben (+Weiss, das braucht man ja wohl immer), kann man die Palette natürlich erweitern. Der erfahrenere Ölmaler wird auf bestimmte Farben wie die verschiedenen Ocker-, Umbra- und Siena-Töne nicht verzichten wollen. Auch wenn man lasieren will kommt man um weitere lasurfähige Farben wohl nicht herum. Und natürlich gibt es auch einige wunderschöne und auf die Dauer unverzichtbare Sonderfarben wie so manche Kadmiums und Kobalts. Aber anfangen sollte man tunlichst mit möglichst wenigen Farben, und da ist der 6+1 Farbkreis ziemlich gut geeignet.
Jeweils eine kühle und eine warme Variante von Blau, Gelb und Rot zu nehmen macht schon Sinn. Allerdings sind die Bezeichnungen "Kühl" und "Warm" in dem Zusammenhang eigentlich gar nicht so geeignet, um das Prinzip zu verstehen.
In Wirklichkeit geht es ja um Folgendes: "Reine" Grundfarben verwendet man in der Ölmalerei normalerweise ja nicht. Und zwar weil die eigentlich richtigen "reinen" Grundfarben Reingelb, Magenta und Cyan in Form von klassischen Ölmal-Pigmenten gar nicht verfügbar sind.
Also nimmt man halt die Farben, die den Grundfarben möglichst nahe kommen. Es sind aber nun mal NICHT die reinen Grundfarben, sondern sie tendieren immer zu der einen oder anderen Seite. Und das wirkt sich beim Mischen natürlich aus. Mal schädlich, mal nützlich.
Es ist nur eine andere Art der Betrachtung, aber es führt letztdendlich zum gleichen Ziel und ist vielleicht etwas leichter zu verstehen als das Konzept von Kühl/Warm:
Da es - ausser beim Gelb vielleicht - keine klassischen Ölfarben mit reinen Grundfarben gibt, nimmt man gleich von jeder Grundfarbe 2 Varianten.
Und zwar ein Gelb, das zum orangen hin tendiert (Gelborange), und eins das zum grünlichen hin tendiert (Gelbgrün).
Dann ein Rot, das ebenfalls zum orangen hin tendiert (Rotorange) sowie eines das zum violett/blau hin tendiert (Rotviolett).
Und letztendlich ein Blau, das zum grünen tendiert (Blaugrün), und eins das zum Violett tendiert (Blauviolett).
Man hat also von jeder Grundfarbe je eine Variante, die leicht zu ihrer Nachbarfarbe im Farbkreis tendiert.
Man hat also einen Farbkreis nicht nur mit den 3 Grundfarben Rot-Gelb-Blau, sondern jede dieser 3 Grundfarben teilt sich in 2 Varianten auf.
Wozu ist das gut?
Ganz einfach, das dient dazu, klare eindeutige Mischungen zu ermöglichen.
Mischt man Rotorange mit Gelborange, erhält man leuchtende und klare Orangetöne.
Mischt man Rotviolett mit Blauviolett, erhält man leuchtende und klare Violett-Töne.
Und mischt man Blaugrün mit Gelbgrün, erhält man klare und leuchtende Grüntöne.
Das dürfte leicht nachzuvollziehen sein. Die beiden benachbarten Farbtöne (z.B. Rotviolett und Blauviolett) treffen sich in der Mitte und ergeben einen klaren Zwischen-Farbton.
Würde man hingegen ein Blaugrün mit dem Rotviolett mischen, mischt man ja in Wirklicheit zu Rot und Blau auch noch einen Stich Grün/Gelb mit rein - denn das ist ja im Blaugrün schon drin. Das ergibt eine etwas gedämpftere Mischung, da hierdurch ein wenig von der Komplementärfarbe automatisch mit drin ist.
Mischt man gar Blaugrün mit Rotorange, wird es noch gedämpfter/trüber.
Je weiter die beiden verwendeten Farben auf dem 6er-Farbkreis voneinander entfernt liegen, umso mehr hat man einen Stich der jeweiligen Komplementärfarben mit drin, was zur Trübung/Dämpfung/Vergrauung führt.
Je näher benachbart die Farben sind bzw. je mehr Gemeinsamkeiten sie haben, umso leuchtender bzw. brillianter und "farblich eindeutiger" wird ja die Mischung. Das dürfte schnell einleuchten. Ist eigentlich recht einfach.
Und wenn man diese 6 Grundfarben dann auch auf der Palette in der richtigen Reihenfolge platziert, fällt das Mischen leicht, ohne dass man ständig irgendwo in einem Farbkreis oder in einer Liste nachgucken müsste. Denn dann hat man den Farbkreis ja immer vor sich auf der Palette.
Übrigens hab ich mir das natürlich nicht selbst ausgedacht, sondern das ist ein Ansatz den viele Künstler und Lehrer verfolgen. Paul Taggart erklärt diese Grundpalette übrigens in seinen Büchern und Videos sehr gut. Aber auch er hat das natürlich nicht erfunden, das ist ein uraltes Konzept.
Dabei ist es übrigens gar nicht mal so wichtig, welche Farben man nun konkret nimmt. Paul Taggart empfiehlt als Blauviolett wohl Ultramarin, als Blaugrün Preussischblau oder Phtaloblau, als Gelbgrün Lemon-Yellow, als Gelborange Kadmium-Gelb, als Rotorange Kadmium-Rot und als Rotviolett z.B. Alizarin Crimson. Aber wie gesagt die Namen der Farben sind eigentlich egal, hauptsache man nimmt jeweils eine Variante der Grundfarben mit dem passenen "Farbstich".
Das Lemon-Yellow wird in diesem Zusammenhang als kühles Gelbgrün angesehen, obwohl ich persönlich da nicht viel grünliches drin erkenne. Aber die Tendenz in Richtung Grün bzw. zumindest weg vom Rot/Orange ist auf jeden Fall vorhanden, daher ist das schon richtig. Preussisch-Blau empfinde ich auch nicht als sooo grünstichig, im Vergleich zum Ultramarin ist es aber das durchaus.
Hier mal 2 Youtube-Videos von Paul, wo er das ganz gut erklärt. Im ersten erklärt er das Konzept von Grund auf, im zweiten zeigt er wie man mittels der weiter entfernteren Grundfarben "gefärbe Graufarben" mischt:
http://www.youtube.com/watch?v=gg60CjI9REU
http://www.youtube.com/watch?v=PW794seHzS4
Alleine mit diesen 6 Grundfarben hat man schon sooo viele Möglichkeiten, die man erstmal beherrschen sollte, bevor man sich weitere Farben auf die Palette nimmt. Denn letztendlich wird es durch jede zusätzliche Farbe komplizierter.
Das gleiche Konzept wird mit etwas anderen Worten (und anderen verwendeten Farben) auch hier nochmal ganz gut erklärt:
http://www.janehannah.com/drawings/octanic-colours/
Wie gesagt welche Farben man nun genau nimmt bzw. wie diese sich nennen ist eigentlich egal. Es geht letztendlich darum in welche Richtung diese Farben tendieren. Wenn man sich darüber im Klaren ist, die Farben entsprechend anordnet und natürlich auch dementsprechend mischt, erhält man schnell die gewünschten Ergebnisse.
Statt vieler Tuben hätte ich mal lieber eher in ein Farbmischtraining investiert. Danach kann man sowieso jede beliebige Farbe reproduzieren.
DAS sollte in jedem Mal-Lernbuch ganz dick drinstehen. Kann man gar nicht genug unterstreichen, so richtig ist das!
Dummerweise enthalten ja gerade solche "Anfänger-Farbsets" in der Regel viel zu viel verschiedene und unnütze Farben. Ich meine diese Billig-Sets mit 12 Tuben zu je 12ml, die gerne von Anfängern gekauft werden. Mal ganz davon abgesehen, dass diese Sets von der Qualität her sowieso in die Tonne gehören und einem Anfänger sowohl von der Qualität als auch von der verwirrenden Auswahl mehr Probleme bereiten als dass sie ihm helfen würden.
Die Top-Hersteller wie Old Holland etc. bieten da schon eher geeignete Grundpaletten-Zusammenstellungen mit weniger Farben an, aber viele Einsteiger fallen nun mal vor allem wegen des Preises auf Schrott-Farben wie Reeves etc. rein... Dabei wäre es doch - wenn man es vorher wüsste - eigentlich ziemlich einfach sich die 6 benötigten Farben auch einfach als Einzeltuben zu kaufen und fertig.